Pride heißt Stolz – Pride heißt aber auch Sichtbarkeit und Wahrnehmung.
Der Juni ist der Monat, in dem die Vielfalt der Lebensentwürfe und Liebesentwürfe gefeiert wird – und vor allem auch sichtbar werden soll. Paraden in Tradition und in Erinnerung an Stonewall sind der eine Teil dieser Sichtbarkeit. Aber auch in Büchern wird die Vielfalt sichtbar. Wichtig ist genauso, die Vielfalt auch zu leben.

Mein Mann und ich – allein dieser Satz jagt mir vor Glück manchmal noch Schauer über den Rücken – mein Mann und ich also haben vor 10 Jahren geheiratet. Damals hieß das noch “eingetragene Lebenspartnerschaft”. Wichtig war uns aber auch die Trauung in der Kirche. Das ging und geht auch heute noch nicht. Eine Trauung gibt es nicht, eine Segnung nur schwer oder ebenfalls nicht. Unsere Ehe besteht aber nicht nur als rechtliche Verbindung sondern auch als verbindliches Versprechen füreinander vor Gott. Damals hatten wir das Glück eine Pfarrerin in Ludwigsburg zu finden, die das genauso sah und sieht und mit uns einen unvergesslichen und wahren Festgottesdienst in Hoheneck gefeiert hat. Wenn ich heute und an anderen Tagen daran zurückdenke bin ich ehrlich immer wieder den Tränen nahe. Von der Einladung zum Traugespräch, das wir am Nachmittag begonnen hatten und gegen 22 Uhr abends dann beendet
haben bis zur Feier am Tag begleitete und die Pfarrerin mit ihrer Familie – und seit dieser Zeit sind wir befreundet. Danke von Herzen, liebe Elke.
Wir wurden ernst genommen in unserem Ansinnen und in unserer Liebe – alles ganz normal und doch eben nicht…
Eine Petition für Segnungsgottesdienste in der evangelischen Landeskirche Baden-Württemberg, die wir vor sechs Jahren initiitert haben, kurz vor einer Landessynode in Stuttgart, hat binnen weniger Tage mehr als 26.000 Unterschriften versammelt. Diese Unterschriften konnten wir der Landessynode damals übergeben. Es sollte aber noch weitere vier Jahre dauern bis es evangelischen Kirchengemeinden von der Landeskirche ermöglicht werden sollte Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zu feiern. Allerdings ist das abhängig von der Kirchengemeinde vor Ort, die sich dazu entschließen muss. Viele Kirchengemeinden wie Ludwigsburg, Freiberg, Waiblingen, Kornwestheim, Asperg und und und haben das gemeinsam beschlossen und ihre Gemeinde so bereichert. Marbach allerdings hat sich dieser Möglichkeit noch nicht angeschlossen…
Kirche und Homosexualität und Queerness ist ein Themenbereich, der hochkomplex ist. Nicht nur bei Segnungen und Trauungen, sondern auch im arbeitsrechtlichen Bereich. Lesbische, schwule, queere Mitarbeiter sind
für viele Gemeinden überhaupt kein Problem und völlig normal – für die Amtskirchen hingegen meistens nicht. Eine mutige Initiative #OutInChurch hat im Februar einen Schritt in die Öffentlichkeit getan, der nicht
ignoriert werden kann. Auch unser katholischer Pfarrer Stefan Spitznagel aus Marbach war Teil dieser Initiative. Eine Dokumentation im ZDF erzählte von den Schwierigkeiten im Arbeitsalltag mit der Amtskirche, von Erzieherinnen in kirchlichen Einrichtungen, die ihre Partnerin verleumden mussten um ihren Arbeitsplatz zu behalten. Geschichten von Scham und Versteckspiel um nicht aufzufallen und unter dem Radar zu fliegen. Junge Menschen am Beginn ihrer Arbeitsbiographie mit Sorgen, ob sie mit ihrer bis dahin versteckten Transidentität bei ihrem künftigen Arbeitsgeber, der Katholischen Kirche, überhaupt bleiben können. Dabei gibt es ja eigentlich das Diskriminierungsverbot, oder? Ja, aber die Kirchen regeln “ihre Angelegenheiten” da ja selber. Schwierig und vom rationalen Standpunkt aus nicht einzusehen. #OutInChurch gibt diesen Menschen ein Gesicht und eine Stimme und eine Hoffnung. Akzeptiert
werden wollen wir nicht mehr – darüber sollten wir lange raus sein. Mein großer Respekt gilt allen Menschen im kirchlichen Umfeld, die aufrichtig und stolz sie selbst sind und das zeigen. Show your Pride!
Soll ich Bücher empfehlen zu diesem Thema? Zumindest eines, ein ganz neues will ich erwähnen. #OutInChurch aus dem Herder Verlag versammelt Biographien, Lebenswege, Interviews und Fragen. Was bedeutet es für eine nicht binäre Person in einem katholischen Bistum zu arbeiten? Welche Auswirkungen kann es haben die eigene geschlechtliche Identität zu verheimlichen und verschweigen zu müssen? Wie lässt sich das in einen weltkirchlichen und theologischen Zusammenhang bringen? Wie kann eine “Kirche ohne Angst” gelingen?
