Taubenadvent: 5. Dezember

Ob Shakespeare geahnt hat, dass Romeo und Julia weltbekannt werden wird, als er es vor über 400 Jahren auf die Bühne gebracht hat? Wahrscheinlich war der Erfolg den dieses Stück noch heute feiert etwas, was er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hat vorstellen können. Sein Drama um die jungen Verliebten aus den verfeindeten Verliebten inspiriert Menschen auf der ganzen Welt zu eigenen Werken, die uns die Geschichte immer und immer erleben und neu entdecken und lassen. Es ist faszinierend das all die Ideen, basierend auf dem gleichen Ursprung, so unterschiedlich und vielfältig sind und dass man sich immer wieder zu dieser Geschichte hingezogen fühlt.

Ich habe Romeo und Julia das erste Mal mit 13 oder 14 gelesen und erwische mich auch heute noch ab und zu dabei, wie ich über all die Verwirrungen, Zufälle und Umstände nachdenke, die zu diesem tragischen Ende führe und wie nur ein anderer Schritt zu einem ganz anderen Abschluss hätte führen können. (Schuld hat daran bestimmt auch, dass ich großer Taylor Swift Fan bin und Love Story bestimmt täglich höre.)

Romeo und Julia bringt die ganz große „Was wäre wenn?“-Frage mit, die sich viele Autoren gestellt haben müssen, während sie das Drama in ihren Werken neuerzählt haben. Eine dieser Autorinnen ist Chloe Gong, die mit „Welch grausame Gnade“ dem Original eine ganz neue Seite gegeben hat.

Welch grausame Gnade
– Chloe Gong

Empfohlen von Annika Stanger

Shanghai, 1926

Eine grausame Blutfehde zweier Familien vor der schillernden Kulisse der 20er Jahre. Juliette Cai, Tochter der gefürchteten Scarlet Gang, will nichts mehr, als eines Tages den Platz ihres Vaters an der Spitze der Familie einzunehmen. Sie ist ehrgeizig, skrupellos, erlaubt nichts sich ihr in den Weg zu stellen, vor allem keine Männer.

Seit Generationen färbt der Krieg zwischen der Scarlet Gang mit den White Flowers die Straßen von Shanghai rot. Juliette kennt deren Erben, Roma Montagov, nur zu gut: Er war ihre erste Liebe – und ihr erster Verrat. Nun hassen Juliette und Roma sich so, wie auch ihre Väter sich hassen.

Doch plötzlich ist es nicht mehr nur der Krieg zwischen den beiden Gangs der Shanghai in Blut versinken lässt. Eine mysteriöse Krankheit sorgt für immer mehr Tode – etwas, das nicht mit Waffen und Groll besiegt werden kann. Juliette und Roma müssen ihren Hass überwinden, denn bald könnte es keine Stadt mehr geben, um die sich ihre Familie bekämpfen können.

Auf den ersten Blick ist klar, dieses Buch hat das Gerüst von Shakespeare genommen und ein komplett neues Gebäude darum aufgestellt. Viel scheint es nicht mehr vom Original in sich zu haben, aber während man das Buch liest, findet man immer wieder Stellen, die einen daran erinnern, wer die Grundidee für dieses Werk geliefert hat.

Die vielen Andeutungen und zwischen den Zeilen zu entdeckenden Stellen, machen das Lesen zu einem großen Spaß und ein Highlight für Fans von Romeo und Julia.

Die Romeo und Julia – Roma und Juliette – im Buch sind, zugegeben, um einiges anders wie ihre berühmten Vorbilder, aber passen damit perfekt in ihre Zeit, geben dem Leser aber auch Freiraum sich mit ihnen identifizieren zu können.

Juliette ist eine Frau in einer Männerdomäne, die immer wieder beweisen muss, dass sie ihre Stelle in der Familie verdient hat, während Roma sich gegen seinen Vater stellt und lernt das die Werte mit denen er aufgewachsen ist, nicht unbedingt die richtigen sind.

Das Buch bekommt seinen Fantasy-Teil durch die mysteriöse Krankheit, die sich durch Shanghai schlängelt und die Hauptcharaktere ungewollt zusammenwürft. Als ich das Buch auf Englisch gelesen habe, waren wir noch mitten drin in Lockdowns und Maskenpflicht und ab und zu ist mir beim lesen doch etwas mulmig geworden – gleichzeitig hat es mir aber auch immer wieder gezeigt wozu Menschen fähig sind, wenn sie zusammenhalten und wie sehr sie einander damit helfen können.

Neben Juliette und Roma gibt es einige wichtige Charaktere für die Geschichte, die wie im Original mit ihren Entscheidungen tragend zu der Entwicklung der Story und Protagonisten beitragen. Einige schließt man sofort ins Herz, anderen steht man während dem ganzen Buch misstrauisch gegenüber und wieder anderen wünscht man während dem Lesen immer wieder nur das Schlechteste.

„Welch grausame Gnade“ ist nicht immer was für schwache Nerven, aber ich kann versprechen, wenn man es einmal in die Hand genommen hat, wird es schwer es wieder wegzulege. Die Story packt und bleibt während dem ganzen Buch, bis zum Ende spannend. Zum Glück gibt es einen zweiten Band – und zum Glück hat der deutsche Verlag auch diesen gleich auch Deutsch rausgebracht.

Chloe Gong hat eine grandiose Art zu schreiben, ihre Charaktere durch Höhen und Tiefen gehen zu lassen und ihre Leser zu fesseln. Wer ein Buch sucht, dass nicht zu tief in die Fantasy rutscht, aber trotzdem alles Gute davon mitbringt und dazu noch etwas Krimi, etwas Liebe und Humor, hat hier genau das Passende gefunden.

Zu empfehlen für Leser*innen ab 16.

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