
Endlich kann ich euch von meiner Begeisterung für „Es ist ein Mädchen“ von Camille Laurens berichten.
Laurence kommt als zweite Tochter einer französischen Familie in den 1960er Jahren zur Welt – bei ihrer Geburt ist die Freude nicht gerade überschwänglich, da man sich einen männlichen Stammhalter gewünscht hatte. „Haben Sie Kinder?“ fragt der Mann. „Nein, sagt mein Vater, „ich habe zwei Mädchen.“ Genau diese unfassbare Abwertung ist es, von der dieses Buch erzählt- und das macht Camille Laurens in aller Deutlichkeit, immer gepaart mit feinem Humor und literarischer Eleganz. Doch Achtung, die Themen sind heftig (TW Missbrauch, Abtreibung, Tod)
Laurence erfährt nicht nur eine ständige, strukturelle Ungerechtigkeit auf Grund ihres Geschlechts, nein, sie muss am eigenen Körper erleben, wie sich andere an ihm vergreifen, sie wird missbraucht und von ihren Nächsten verraten werden. Ihr wird von klein auf eingetrichtert, sich zurückzunehmen, sich nicht wichtig zu machen und den Mund bei Ungeheuerlichkeiten bitte hübsch geschlossen zu halten. Wie viel davon wird Laurence weitergeben?
Camille Laurens ist für ihre autofiktionalen Romane ausgezeichnet worden und als Nachfolgerin von Virginie Despentes Mitglied der Académie Goncourt. Ich gestehe, dass mir diese geniale Autorin bislang unbekannt war.
Für mich ist es in diesem unglaublich guten Lesejahr 2022 wieder mal ein Jahreshighlight: eins, das aufrüttelt und Anlass zu Diskussionen geben wird. Dieses Buch fordert seine Leser*innen sehr.
Besonders gefallen hat mir der Schluss des Buches – ganz anders als gedacht, und für mich sehr zufriedenstellend und rund. Ein Buch, das uns zeigt, wie viel Gutes sich innerhalb einer Generation entwickeln kann.
Eine dringende Leseempfehlung geht hiermit raus an Euch 🧡📚
Aus dem Französischen übersetzt von Lis Künzli.
Original auf Instagram bei @buchselig erschienen:

